Aktuelle Predigt

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,

habt ihr einen roten Faden für euer Leben? So ein Faden kann ganz schön nützlich sein. Der griechischen Sage nach herrschte auf der Insel Kreta der weise König Minos. In einem Labyrinth aus Höhlen unter der Insel jedoch lebte ein Ungeheuer, der Minotaurus. Und dieser Minotaurus forderte immer wieder Menschenopfer von den Bewohnern. Viele tapfere Helden hatten schon versucht, das Ungeheuer zu besiegen, aber alle verliefen sich in dem Labyrinth und kamen um. Schließlich kam ein Prinz daher, Theseus, dem schenkte die Tochter des Königs Minos eine Rolle mit einem Fa-den. Den wickelte er auf seinem Weg durchs Labyrinth ab, fand das Ungeheuer, besiegte es und fand durch den Faden den Weg zurück durchs Labyrinth. Und wie konnte es anders sein, zur Belohnung für seine Tag gewann er die Liebe der Königstochter. Und wenn sie nicht gestorben sind...

So ein Faden kann ganz schön nützlich sein, wenn man seinen Weg finden will. Auch ihr habt einen Weg vor euch, den Weg durch euer Leben, und das kann euch auch manchmal wie ein Labyrinth vorkommen. Gehe ich nach rechts oder nach links? Oder rückwärts? Oder ganz woanders lang? Bisher haben viele Entscheidungen eure Eltern übernommen. Haben, so gut es ging und nach bestem Wissen und Gewissen einen Faden für euch gespannt und gelegt: Haben euch Vertrauen geschenkt, euch umsorgt, waren für euch da, versuchten euch Vorbild zu sein und zu leiten. Aber wie das immer so ist mit Eltern und ihren Kindern: Irgendwann werden die Eltern anstrengend. Man sieht euch heute ganz genau an, dass ihr keine Kinder mehr seid. Und dass ihr es euch nicht mehr einfach so gefallen lasst, dass man über euch entscheidet, davon können eure Eltern ein Lied singen. Ihr seid mit großen Schritten auf dem Weg zum Erwachsensein, und dazu gehört, dass man seinen eigenen Lebensfaden spinnt. Ihr wollt ankommen im Leben, ihr wollt eure Lebensfragen anpacken, ihr wollt etwas erreichen.

Aber gerade da wird es schwierig. Denn bei all den Fragen, die sich auftürmen und all den Entscheidungen, die man treffen muss, kann man sich auch oft ganz schön verloren vorkommen. Was ist der Sinn hinter all dem? Wo will ich hin? Schaffe ich das alles? Bin ich gut genug? Das sind Fragen, die einem ganz schön Angst machen können. Da ist es gut, dass wir Konfirmation feiern. Denn Konfirmation heißt Bestärkung. Wir feiern, dass Gott euch bestärkt für euren Lebensweg, und nichts anderes bedeutet der Segen, den ihr heute bekommt: Gottes Kraft für euch. Gott sagt: Ich fädele mich in euer Leben hinein wie ein roter Faden. Und der reißt nicht, der gibt eurem Leben Stärke und Halt.

In eurer Konfizeit haben wir versucht, diesen roten Faden zu finden und zu schauen, was er für euer Leben bedeuten kann. Haben gefragt, was der Glaube an Gott mit unserem Leben zu tun hat. Oft ging es dabei um Gottes Kraft, die uns hilft, und um seinen Schutz in diesem Labyrinth Leben. Und man konnte sehen, dass euch das ganz wichtig ist, Gottes Kraft und Schutz. Das zeigen auch die Konfirmationssprüche, die ihr euch ausgesucht habt, denn viele handeln davon, dass Gott uns behütet und stärkt. Ein ganz berühmter steht im Jesajabuch: Alle, die auf Gott vertrauen, bekommen immer wieder neue Kraft, es wachsen ihnen Flügel wie dem Adler. Oder der: Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.

Auf allen Wegen behütet und gestärkt sein, das klingt schon nach einem guten roten Faden im Leben. Ja, ihr wollt das Leben anpacken und meistern. Ihr wollt euch zurechtfinden und nicht verirren. Und ihr habt dafür, würde ich sagen, richtig gute Voraussetzungen. Ihr habt so viel drauf, und ihr seid alle so unterschiedlich! Wir haben die Zeit mit euch wirklich genossen, weil es immer schön war mit euch. Ihr seid immer fröhlich und auch immer motiviert. Fast immer. Ihr seid selbstbewußt und habt unheimlich viele Gaben, die ihr in ganz vielen Bereichen einsetzt und ausprobiert. Und es macht unglaublich Spaß, euch dabei zuzuschauen.

Aber, und das konnten wir auch immer wieder sehen, bei alldem seid ihr auf der Suche. Auf der Suche nach dem Faden, nach dem, was wirklich zählt. Es zählt nicht, was man alles drauf hat. Es zählt nicht, dass man hier oder da gut ankommt oder alles richtig macht. Das kann nicht alles sein, das Leben muss noch um mehr gehen. Ihr wisst das und ihr spürt das genau. Darum sucht ihr nach dem, was wirklich zählt, aber ihr wisst noch nicht so genau, was das sein könnte. Und das hinterlässt eine große Unsicherheit. Und darum seid ihr bei all eurem Selbstbewußtsein und all eurer Fröhlichkeit auch unsicher und ängstlich. Ihr habt Angst, die Erwartungen der anderen nicht zu er-füllen, aber ihr habt auch Angst, wegen all dieser Erwartungen an euch selbst vorbeizuleben.

Darum sagt Gott heute zu euch: Habt keine Angst! Ich fädele mich in euer Leben hinein wie ein roter Faden. Der reißt nicht, der gibt euch Stärke und Halt. Der zeigt euch, was wirklich zählt, nämlich Liebe und Vertrauen. Und manchmal zeigt er euch auch, wo es langgeht.

Auf eurem Liedblatt könnt ihr so einen Lebensfaden sehen. Der ist wie eurer. Er besteht aus vielen verschiedenen Fädchen, dunkle und helle, so wie die Wege in eurem Leben sind und sein werden. Er hat bunte Fäden, so bunt wie ihr und unser Einführungsgottesdienst am Anfang eurer Konfizeit. Er hat dicke Fäden und dünne, wichtige und weniger wichtige Stränge, mal sind sie gleichmäßig und stark, und mal fast zum Zerreißen, wie ein seidener Faden. Für leichte und schwere Wegstrecken, für helle und dunkle. Aber eins ist klar: Nie seid ihr allein, andere weben ihren Faden in euren hinein, manche für länger, manche kürzer, Freunde, Familie, Kirchengemeinde.

Und mittendrin und mit allem anderen verwoben ist auch ein roter Faden. Zeichen für Gott, seine Liebe, seine Kraft, seinen Schutz. Man kriegt ihn nicht raus, da kann man machen, was man will, denn er ist reingewoben. Manchmal verschwindet er ein bisschen unter all den anderen bunten Fäden. Aber er ist da. Und wenn du ganz genau hinschaust, dann leuchtet er und strahlt ein warmes Licht auf all die anderen Fäden deines Lebens. Amen.
 

- Jan Freiwald, 28.4.2024 (Konfirmation)